Donnerstag, 25. Oktober 2012

Wie CSU-Pressesprecher Strepp die tägliche Kumpanei zwischen Politikern und Journalisten aufdeckte

 Es sieht aus wie eine riesen Dummheit, der Anruf von CSU Pressesprecher Strepp in der Heute-Redaktion. Aber es lässt darauf schliessen, wie Politik und Journalisten miteinander umgehen, zum Schaden, der sich in einer Demokratie wähnenden Bürger.

 Der Spressesprecher der CSU Dr. Hans Michael Strepp hat am Sonntag bei der Heute-Redaktion des ZDF angerufen und die, mit etwas Nachdruck versehene, Bitte geäussert, man möge doch nicht über den Parteitag der Bayern-SPD berichten. Das ZDF berichtete doch und betont dies voller Stolz, seit am Mittwoch die Süddeutsche darüber berichtete. So als habe man einer Institution, ähnlich der nordkoreanischen Zensurbehörde widerstanden. Von Sonntag bis Mittwoch hatte das heldnmütige ZDF allerdings versucht, die ganze Geschichte unter dem Teppich zu halten.

 Strepp reichte heute seinen Rücktritt bei Parteiboss Seehofer ein, der das Angebot umgehend annahm. So macht man das bei der CSU. Seehofer und sein Generalsekretär Dobrindt ziehen ihren Kopf aus der Schlinge. Strepp, das Bauernopfer. Eine bayrische Wirtshausposse könnte man meinen.

 Bei genauerem Hinsehen wirft die Affäre aber ein Licht auf die Verquickung von Politik und Journalismus, und man fragt sich, was geschieht noch alles hinter den Kulissen, von dem wir Bürger keine Ahnung haben? Wie weit geht das stillschweigende oder gar abgesprochene Einverständnis der Politiker mit denen, die sie eigntlich kontrollieren sollen?

 Es stimmt doch bedenklich, wenn der Pressesprecher der CSU in der Heute-Redaktion anruft, den diensthabenden Redakteur bittet, nicht über den Landesparteitag der SPD zu berichten, und seiner Bitte mit der Drohung Nachdruck verleiht, sollte das ZDF dennoch berichten, werde das „Diskussionen nach sich ziehen“, und beim ZDF keiner auf die Idee kommt, diese Drohung öffentlich zu machen.

 Diese Nichtreaktion lässt nur zwei Schlüsse zu. Erstens, die Redakteure der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalt ZDF sind inzwischen so eingeschüchtert, dass keiner der Redakteure den Mut aufbrachte, an die Öffentlichkeit zu gehen. Die zweite Möglichkeit ist, dass solche Anrufe mittlerweile so sehr Alltag sind, dass die ZDF-Journalisten so einen Anruf für die normale Praxis halten und nichts anstössiges daran finden können.

 Aber auch die andere Seite, CSU Pressesprecher Strepp, lässt durch sein Verhalten den Schluss zu, dass Politiker und Journalisten in stillschweigenden Einverständnis, sagen wir, sich gegnseitig helfen, den Bürger nicht mit zu extremer Wahrheitsliebe und unvoreingenommener Berichterstattung zu überfordern. Wie, so muss man sich fragen, kommt ein, um im bayrischen Terminus zu bleiben, g'stand'nes Mannsbild dazu, solch eine Dummheit, wenn es denn eine war, zu begehen. Dr. Strepp hat Jura studiert, promovierte 2000 in München über, bezeichnenderweise „Irreführung und Verwechslungsgefahr“, arbeitete als Staatsanwalt und Richter, war Pressesprecher der Staatskanzlei unter Ministerpräsident Stoiber und ist schon seit 2006 Sprecher der CSU.

 Ein Mann mit solch einer Erfahrung ruft nicht, einfach so, die Redaktion einer öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalt an, um Anweisungen zu geben, was gesendet werden darf und was nicht, wenn solche Anrufe nicht zu seinen ganz normalen Tätigkeiten gehören. Soll heissen, es scheint gängige Praxis zu sein, dass Politiker in Redaktionen anrufen, SMS', e-mails oder Faxe schicken um über den Inhalt von Sendungen oder Zeitungen und Magazinen, zumindest, mitzubestimmen.

 Das heisst aber für uns Bürger, Zeitungsleser und Fersehzuschauer, dass wir täglich nur das zu hören und sehen bekommen, von dem unsere Politiker wollen, dass wir es hören und sehen. Das alles erinnert sehr stark an Orwells 1984. Wir sehen die Welt nicht wie sie ist, sondern nur noch wie wir sie sehen sollen. Wirtschaft, Politik, Presse, also die Inhaber der Macht und die, die sie kontrollieren sollen, sie alle sitzen an einem Tisch, helfen sich gegenseitig und ihre Protagonisten wechseln nach Lust und Liebe die Seiten. Auf der Strecke bleiben Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und das Wohl der Bürger.

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