Donnerstag, 1. November 2012

Medien nerven mit Wirbelsturm Sandy

 Allmählich nervt es wirklich, Fernsehen, Radio und Printmedien kennen seit Tagen nur ein Thema: Wirbelsturm Sandy und das von ihm heimgesuchte New York.

 Schon als der Wirbelsturm noch weit draussen auf dem Atlantik war, es also eigentlich gar nichts zu berichten gab, wurden Horrorszenarien über seine Zerstörungskraft in unsere Wohnzimmer gesendet. Sandy war zu sehen von oben aus dem All, die Flutwelle, die er vor sich herschob, wurde vermessen und die Stunden und Minuten heruntergezählt, die der Sturm noch brauche, bis er auf die amerikanische Ostküste treffen würde. New Yorker wurden gezeigt, wie sie sich mit Hamsterkäufen auf das Unwetter vorbereiteten, und die schlimmste aller Katastrophen wurde in aller Länge und Breite ausgewalzt: Der Präsidentschaftswahlkampf musste unterbrochen werden.

 Dann, am Abend vor der drohenden Katastrophe, zeigte uns z. B. die ARD eine todesmutige Reporterin, die mitten auf einer, für den Verkehr gesperrten Strasse mit Blick auf den Times Square stand, und eigentlich - nichts - berichtete. Diese Nullberichterstattung wurde dann aber in allen Nachrichten- und Magazinsendungen bis zum Erbrechen wiederholt.

 Endlich dann, und es war schon eine Erleichterung für die Konsumenten der Medien, war Sandy über New York hinweggezogen und die Reporter hatten endlich die Möglichkeit, das zu tun, was ein guter Reporter tun soll, über ein geschehenes Ereignis berichten. Grosse Teile New Yorks standen unter Wasser, die U-Bahnschächte waren voll gelaufen, Büros und Geschäfte standen unter Wasser und Teile des Stromnetzes waren zusammengebrochen.

 Wer allerdings jetzt mit einer sachlichen Berichterstattung gerechnet hatte, um es mit Focus-Herausgeber Helmut Markwort zu sagen: „Fakten, Fakten, Fakten“, der sah sich getäuscht. Die Medien begannen zu menscheln. Die armen New Yorker wurden uns vorgeführt. Menschen, die zu Fuss zur Arbeit gehen mussten, die in ihren Luxusappartments sassen, ohne Strom und ohne Fahrstuhl um die zig Stockwerke nach unten, auf die Strasse, zu gelangen. Menschen, die ihre Handys nicht mehr aufladen konnten und ein New Yorker Bürgermeister, der mit der Eröffnung der New Yorker Börse, den Menschen auf der ganzen Welt, ein Zeichen der Hoffnung gab.

 Die Berichterstattung unterscheid sich nur in einer Kleinigkeit von der, über den Einsturz der Twintowers am 11. September 2001: Weit und breit keine islamistischen Terroristen. Und das ist wirklich schade, man kann Sandy nicht mit Raketen, Bomben und dem anderen schönen Kriegsgerät das die US-Amerikaner angesammelt haben zeigen wer auf dieser Welt der Boss ist. Dabei war Sandy schon weiter als der Iran. Sandy hatte zumindest die Kraft einer Atombombe und diese auch noch auf das Herz der USA, New York, gerichtet.

 Wir, die wir in den Kolonien der Wallstreet wohnen, waren ab sofort aufgerufen, mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen, die unzähligen Helden des Alltags in den USA zu bedauern und zu bewundern. Dabei waren die US-Amerikaner an den meisten Schäden, die Sandy angerichtet hatte, selbst Schuld. Die Millionenstadt New York, ist praktisch ohne jeden Hochwasserschutz. Keine Deiche, keine Fluttore, keine wasserdicht verschliessbaren U-Bahn Eingänge. Die U-Bahn selbst mit einem vorsintflutlichem Stromsystem ausgestattet.

 Überhaupt, die Stromversorgung. Nur Überlandleitungen, bis zum Endverbraucher, wie in Europa vor dem letzten grossen Krieg. Eine Freude für jeden halbwegs starken Sturm mit etwas Ehre im Laib, daran so lange zu rütteln, bis die Drähte reissen.

 Was für eine Verzerrung der Realitäten. Unsere Medien versuchen uns durch die Kraft der Bilder dazu zu bringen, Menschen zu bedauern, denen die Möglichkeit genommen wurde, ihre Handys aufzuladen. Wenn in Afghanistan US-amerikanische Drohnen, über 5.00 Kilometer ferngesteuert aus der Wüste von Utah, die Menschen einer friedlichen Hochzeitsgesellschaft in ihre Atome zerlegen, wenn im Irak amerikanische Panzer irakische Soldaten in einem völkerechtswidrigem Krieg, mit ihren Ketten lebendig im Wüstensand vergraben, in Vietnam durch das tödliche Gas Agent Orange die Wälder entlauben und über Generationen Erbschäden an den Menschen verursachen, dann sind keine Kameras  des Deutschen Fernsehens vor Ort. Dann hält sich unser Mitleid in recht engen Grenzen.

  Aber was sind schon tausende Tote in Afghanistan, Irak oder Vietnam, gegen ein paar New Yorker Devisenhändler, die wegen der vorsintflutlichen amerikanischen Infrastruktur ihre Handys nicht aufladen können?

1 Kommentar:

  1. Zu diesem Beitrag kann ich Ihnen wieder einmal uneingeschränkt zustimmen. Die Frage ist auch, was wäre passiert wenn der Wirbelsturm nicht die USA sondern die afrikanische Atlantikküste oder irgendeinen anderen unwichtigeren Ort getroffen hätte. Auch so eine aufgebauschte Berichterstattung ? Kaum !!! der Rest der Welt darf zusehen wie er klarkommt.

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