Sonntag, 11. November 2012

Warum schweigen die Gewerkschaften?

 Die deutsche Kanzlerin hat in einem Ausraster vor dem Europäischen Parlament die griechischen Arbeitnehmer übelst beschimpft und die deutsche Agenda 2010 als leuchtendes Beispiel für gelungene Reformen dargestellt. Warum schweigen die deutschen Gewerkschaften zu so einer dreisten Lüge?

 Am Mittwoch hat die deutsche Bundeskanzlerin die griechischen Abeitnehmer vor dem Europäischen Parlament aufs übelste beschimpft. „Man muß ihnen sagen: Es ist nicht in Ordnung, daß ich jedes Mal einen Streik mache, wenn eine Privatisierung erfolgen soll;“

  Das Streikrecht ist das höchste Gut und ein unverzichtbares Recht der Arbeitnehmer, überall auf der Welt. Darum wundert es mich doch sehr, dass die deutschen Gewerkschaften sich nicht mit den griechischen Arbeitnehmern solidarisch erklärt haben und sich bis heute nicht zu solch einer unverschämten Aussage der deutschen Kanzlerin geäussert haben.

 Warum haben unsere Gewerkschaften der Kanzlerin nicht vehement widersprochen? Warum haben sie der Kanzlerin  nicht gesagt, dass ihre griechischen Kollegen nicht gegen Privatisierungen streiken, sondern für ihr Recht fair entlohnt zu werden, damit sie ihre Familien ernähren können? Warum haben sie der Kanzlerin nicht gesagt, dass die Arbeitnehmer in Griechenland für ihr Überleben auf die Strasse gehen? Und warum haben sie ihr nicht gesagt, dass die Arbeitnehmer in Griechenland nicht die jahrelange Misswirtschaft, die Schäden durch Korruption und Steuerhinterziehung bezahlen können?

 Warum haben unsere Gewerkschaften die Kanzlerin nicht gefragt warum sie ausgerechnet die Arbeitnehmer in Griechenland, aber nicht nur dort für das jahrelange unverantwortliche Zocken der Banken verantwortlich macht und zur Kasse bittet? Die Gewerkschaften haben eine grosse Verantwortung zu übernehmen. Sie müssen dafür sorgen, dass Europa nicht nur Marktplatz wird, dass es nicht nur ein riesiger Selbstbedienungsladen für die Finanzwirtschaft wird, sondern ein Europa der Menschen, da die Politiker dazu nicht mehr bereit und in der Lage sind.

 Die Politiker streuen uns Sand in die Augen, wenn sie immer wieder Opfer von uns Arbeitnehmern fordern, um ihr Europa aufzubauen. Sie weisen uns darauf hin, dass es nun seit fast 70 Jahren keinen Krieg mehr gegeben habe, im alten Europa. Aber gleichzeitig fördern sie die Ressentiments der Menschen, wenn sie mit so plumpen Verdächtigungen, wie Merkel vor dem Europäischen Parlament auf Stimmenfang in der Heimat gehen. Merkel fördert die dumpfen Vorurteile, die Griechen seien faul, undankbar und streikten ständig. Das spielt nur der politisch äussersten Rechten in die Karten.

 Mit Ressentiments baut man kein Europa, damit zerstört man das Einigungswerk mehrerer Generationen. Merkel, gefangen in ihrer Welt, geprägt von den Denkweisen der alten bürokratischen, unfreien, bürgerlosen Gesellschaft der DDR, glaubt Europa sei durch ein paar verwaltungstechnische Tricks, praktisch per Dekret, zu erreichen. Ein Europa der Herrschenden, der Banken und Finanzinstitute vielleicht, aber sicherlich kein Europa der Menschen.

 Es wäre die verdammte Pflicht der Gewerkschaften die Menschen darüber aufzuklären, dass die deutschen, niederländischen oder skandinavischen Arbeitnehmer mit ihren sauer verdienten Steuergroschen nicht etwa faule, streikende griechische, spanische oder italienische Arbeitnehmer unterstützen, sondern die zockenden, menschenverachtenden Banken. Warum sagen sie den Arbeitnehmern in Deutschland nicht, dass von den Milliarden und Abermilliarden Euro, die sie angeblich den Griechen gegeben haben, in Wirklichkeit bei den internationalen Banken gelandet sind. Warum sagen sie den Menschen nicht, dass von keinem der, unvorstellbar vielen Euros, die bisher geflossen sind, auch nur ein Stück Brot gekauft worden ist? Nur Kaviar und Champagner, bezahlt mit den Boni der Zocker.

 Wenn es schon die SPD- oder Grünen-Politiker versäumen, die Menschen über die wahren Zusammenhänge der Eurokrise und die Verwendung der milliardenschweren Rettungspakete aufzuklären, warum tun es dann nicht die Gewerkschaften, die doch die internationale Solidarität aller Arbeitnehmer, in ihren Sonntagsreden, immer wieder betonen?

 Die letzten zwanzig Jahre haben gezeigt, dass ohne internationale Solidarität die Arbeitnehmer,  egal in welchem Land, immer mehr an Einfluss und Durchsetzungskraft verlieren. Die deutsche Agenda 2010 ist dafür ein beredtes Zeugnis. Und gerade diese Verelendung weiter Kreise der deutschen Arbeitnehmerschaft hält Merkel den Griechen als leuchtendes Beispiel vor Augen. Auch Deutschland habe in der Folge der Agenda 2010 und von Hartz IV, Sozialproteste gehabt, so Merkel. „Wir haben fünf Jahre abwarten müssen, dann haben sich die Wirkungen eingestellt.“

 Warum die Gewerkschaften zu solchen Aussagen schweigen, ist mir ein Rätsel.

2 Kommentare:

  1. Danke für den Artikel.
    Gruß vom BildHauer

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  2. Was erwarten Sie alle denn von einer Kanzlerin, der Eltern (Pfarrersfamilie) aus Überzeugung in die "DDR" gegangen sind und deren Tochter nach dem Motto "nicht fragen sondern einfach machen" von dieser Staatsmacht erzogen wurde? Wurde diese Frau JEMALS auf ihre Gesinnung überprüft, wie man es z.B. mit einem simplen Lokomotivführer macht, wenn es in den Staatsdienst will? Meine Meinung ist, diese Frau genießt ihre scheinbar uneingeschränkte Macht, die ihr der ehemalige Klassenfeind übertragen hat, charmlos aus!

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