Dienstag, 5. November 2013

Merkel zu deutscher Reaktion auf US-Ahörpraktiken: "Freundschaft zu USA von überragender Bedeutung"


 Vergessen wir nicht, es geht um strafrechtlich relevante Tatsachen. Der US-amerikanische Geheimdiemst NSA hat in den letzten Jahren widerrechtlich von deutschem Boden aus Millionen von Bürgern, Behörden, Parteien, Gewerkschaften und Unternehmen ausgehorcht. Immer, wenn Vertreter der Bundesrepublik Vertretern aus den USA in Vertragsverhandlungen gegenüber sassen, egal, ob wirtschaftlichen, völkerrechtlichen oder zivilrechtlichen Inhalts, die Gegenseite war bereits bestens über die Verhandlungsstrategie der deutschen Seite informiert.

 Das dürfte im Laufe der Jahre der Bundesrepublik Deutschland einen unermesslichen Schaden, nicht nur wirtschaftlich, zugefügt haben. Es wäre Pflicht der Bundesregierung den USA mit allen Mitteln, drastisch klar zu machen, bis hin zur zeitweisen Aussetzung von Verträgen und der Ausweisung amerikanischer Staatsbürger und Botschaftsangehöriger, dass Deutschland keine weitere Ausspähung duldet. Die Regierung müsste von der amerikanischen Seite ein vollständige, lückenlose Offenlegung ihrer Spionagetätigkeit auf deutschem Boden erzwingen, notfalls mit einer Klage vor dem internationalen Gerichtshof.

 Was aber macht die Kanzlerin, die ja in ihrem Amtseid geschworen hat ihre: „... Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen,“?

 Sie sendet eine unterwürfig formulierte Ergebenheitsadresse via Regierungssprecher Seibert an den amerikanischen Präsidenten. Seibert sagte vor der Bundespressekonferenz: „Das transatlantische Bündnis bleibt für uns Deutsche von überragender Bedeutung. Es gibt kaum ein Land, dass von dieser Partnerschaft, dieser Freundschaft so profitiert hat wie Deutschland. Das hat überragende Bedeutung. Wir handeln im Geist dieses Bündnisses.“

 Klarer kann man der US-Administration gar nicht zu verstehen geben: Macht was ihr wollt, wir werden es akzeptieren und decken. „Von überragender Bedeutung,“ dass bedeutet doch, die „Freundschaft" zu den USA überragt alles, auch die Rechte der eigenen Bürger. Merkel stellt die „Freundschaft“ zu den USA über Recht und Gesetz der Bundesrepublik.

 Spätestens nach der gestrigen Äusserung der Kanzlerin hätte ein Sturm der Entrüstung losbrechen müssen. Aber die Verbreitung der Ergebenheitsadresse Merkels, die in der zwanzig-Uhr-Tagesschau erst an dritter Stelle, hinter einem Bericht über den Steuerhinterziehungsprozess gegen Uli Hoeness und einem Bericht über die Koalitionsverhandlungen in Berlin, gesendet wurde, blieb in der Presse nahezu unerwähnt. Es scheint für weite Teile der veröffentlichten Meinung selbstverständlich zu sein, das die deutsche Regierungschefin die Freundschaft zu den USA über das Recht der eigenen Bürger stellt.

 Stattdesse geistert seit einigen Tagen die Forderung eines „No-spy-Vertrages“ mit den USA durch den deutschen Blätterwald. Dieses Abkommen, so phantasieren seine Befürworter solle ein gegenseitiges ausspionieren der Vertragspartner ausschliessen. Das hört sich gut an, ist aber vollkommen unrealistisch. Dagegen spricht schon die ganz einfache Tatsache, dass es eben gerade das Wesen geheimdienstlicher Tätigkeiten ist, sich über Gesetze und Vorschriften des ausgespähten Landes hinwegzusetzen.

 Wäre das nicht der Fall, brauchte man ja nicht heimlich ausspähen. Der Präsident der Vereinigten Staaten würde unserer Kanzlerin einen Brief schreiben und sie bitten ihm über bestimmte Punkte Auskunft zu geben. Merkel würde sich entscheiden, ob sie Auskunft erteilen will oder nicht und der amerikanische Präsident würde sich mit dieser Antwort zufrieden geben.

 Sollten die USA einem solchen No-spy-Abkommen zustimmen, dann werden sie sich Rechte zusichern lassen, die in etwa denen des Vertrages der „Five Eyes“ gleichkommen. Die „Five Eyes“ sind die Länder USA, Großbritannien, Kanada, Neuseeland und Australien, die die Welt unter sich aufgeteilt haben um sie auszuhorchen. In dem Abkommen heisst es: „Nach Erhalt der Zustimmung des Anderen bleibt es der betroffenen Partei überlassen, die vereinbarte Aktion in der angemessensten Weise auszuführen, ohne die Kanäle dieser Aktion genau preisgeben zu müssen."

 Die "taz" schreibt dazu in einem Artikel am 29.10.: „Die „fünf Freunde“ verpflichten sich in diesem Abkommen zum unbeschränkten Austausch aller „Produkte“ ihrer jeweiligen auslandsgeheimdienstlichen Tätigkeit weltweit. Dazu gehört die Sammlung, Überwachung, Analyse, Aufschlüsselung und Übersetzung „jeder Kommunikation der Regierung oder jedweder Streitkraft, Faktion, Partei, Abteilung, Agentur oder Büros eines fremden Landes“. Also alles.“

 Allerdings ist die Neigung der Amerikaner, deutschen Stellen Einsicht in ihre Erkenntnisse, oder gar den Deutschen freie Hand bei eigenen Ermittlungen zu lassen, sehr gering. So gaben US-Geheimdienstbeamte zu bedenken, dass die Interessen der USA und die Deutschlands oft unterschiedlich seien. Im Laufe des letzten Jahrzehnts hätten die beiden Nationen über den Irak-Krieg gestritten, über die Sanktionen gegen den Iran, der Ausrüstungkomponenten für sein Atomprogramm bei deutschen Unternehmen gekauft habe, und über die Entscheidung, in Libyen zu intervenieren.

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