Die SPD-Spitze jubelt. Der Dicke aus Goslar fühlt sich auf dem (vorläufigen) Höhepunkt seiner Karriere. Die von ihm initiierte Abstimmung der Mitglieder der SPD über den Koalitionsvertrag ist, für viele überraschend, positiv ausgefallen. Gabriel und seine SPD, die am 22. September bei der Bundestagswahl von den Deutschen eine krachende Ohrfeige kassiert hatte, macht alle Glauben, bei den Koalitionsverhandlungen die Scharte mehr als ausgewetzt zu haben. Oberflächlich betrachtet trägt der Koalitionsvertrag eine sozialdemokratische Handschrift (Rente mit dreiundsechzig, Lebensleistungsrente). Wer aber genau hinschaut, der stellt fest, dass die angeblichen „Erleichterungen für die Menschen“ unter Finnzierungsvorbehalt stehen. Nur wenn die Konjunktur weiter so läuft, wie im Augenblick und wenn die Beschäftigung das gleiche Niveau wie derzeit hält, werden diese umgesetzt.
Selbst der von der SPD ultimativ geforderte Mindestlohn von 8,50 Euro wird nur stufenweise eingeführt und Ausnahmen davon sollen noch formuliert werden. Den Lobbyisten in Berlin gilt so eine Regelung geradezu als Einladung, aus einem flächendeckenden Mindestlohn, eine Ausnahmeregelung für Nischenbranchen zu machen.
Während die SPD-Granden ihr Glück nicht fassen können und schon mal ihre kargen Abgeordnetenbüros leerräumen um sie gegen Ministerbüros und Büros für Staatssekretäre einzutauschen, die Fahrbereitschaft des Bundestages gegen Achtzylinderfahrzeuge mit Chauffeur und die unbequemen Sitze in der Businessklasse gegen die Helikopter und komfortabel ausgestatten Airbusmaschinen der Flugbereitschaft der Bundeswehr, hat Mutti schon die ersten Fallstricke ausgelegt um die Sozialdemokraten an der Wand entlangzuziehen.
Das dokumentiert sich in Kleinigkeiten, wie zum Beispiel der Bekanntgabe der Ressortaufteilung und der Ministerposten. War die Sprachregelung bisher, wichtig sei der Inhalt des Koalitionsvertrages und nicht die Ämterverteilung, deshalb wolle man auch die Zusammensetzung des Kabinetts erst am heutigen Sonntag bekanntgeben, protzte die SPD schon am Freitag mit der Anzahl von sechs Ministern, die sie Merkel abgerungen habe. Merkel hingegen hält sich stoisch an die Abmachung mit der SPD. Sie lässt die Öffentlichkeit bis zuletzt im Unklaren darüber, wer von CDU und CSU welches Amt bekleiden wird.
Für Aussenstehende ein klares Zeichen: Seht her, auf der einen Seite die ämtergeile SPD und auf der anderen Seite CDU/CSU, denen die Ämterverteilung nur nachrangig wichtig ist.
Wichtiger aber wird sein, was in den vier Jahren Regierungszeit passieren wird. Denn eins ist klar, die SPD wird nach dem Siegesgeheul, das sie angestimmt hat, die Regierung nicht vorzeitig platzen lassen können, - egal was auch passiert. Die Strafe für Neuwahlen, die die Bürger verhängen würden, wäre fürchterlich. Denn bei der schmalen Personaldecke der SPD, müssten zwangsläufig die Verlierer der Wahl von 2013 und die gescheiterten Minister der aufgekündigten Koalition erneut antreten.
Und das, ach so, sozialdemokratische Koalitionspapier (das Wort Regierungsprogramm wird peinlichst vermieden) ist nicht das Papier wert auf dem es geschrieben wurde. Mag auch die SPD ebenso viele Minister stellen wie die CDU, diese besetzt die zwei, alles enscheidenden, Ressorts. Die CDU stellt die Kanzlerin und den Finanzminister, gegen deren Votum im Kabinett kein Beschluss möglich ist. Will die SPD ihre Punkte des Koalitionsvertrages durchsetzen, dann werden Merkel und Schäuble ihr Veto einlegen und obendrein noch als Bollwerk zur Vermeidung weiterer Schulden, bei den Wählern glänzen.
Diese Überlegungen haben aber alle keinen Einfluss auf das Mitgliedervotum gehabt. Nikolaus Blome schreibt auf Spiegelonline: „Da die SPD-Mitglieder ja weniger über 185 zumeist ungelesene Seiten des Koalitionsvertrags zu urteilen hatten als ganz schlicht über die Zukunft der kompletten Parteispitze, stand in Wahrheit also Folgendes zur Abstimmung: Große Koalition oder politischer Selbstmord.“ Treffender kann man diesen Mitgliederentscheid nicht analysieren. Die Mitglieder der SPD hatten die Wahl zwischen Pest und Kolera, zwischen ungeliebter grosser Koalition dominiert von Merkel und Schäuble, und der Liquidierung ihrer gesamten Parteispitze. Ihnen blieb überhaupt nichts anderes übrig, als zuzustimmen.
Zum Anderen muss man sich einmal ansehen, wie die SPD aufgestellt ist. Die Partei hat seit 1991 ihre Mitgliederzahl halbiert, obwohl doch die Genossen aus den neuen Bundesländern noch hinzugekommen sind. Die SPD ist nicht mehr die gleiche Partei wie in den Jahren zuvor. Arbeitnehmer, Gewerkschafter, Linke haben in hellen Scharen das Weite gesucht. Geblieben ist ein winziges Häuflein Aufrechter, die seit nunmehr zwanzig Jahren auf eine Rückkehr der SPD zu ihren alten Werten, Solidarität, Friedfertigkeit und Antimilitarismus warten, die Karrieristen, die in die Jahre Gekommenen, durch die alte SPD zu einem bescheidenen Wohlstand gelangten, die sich nun selber zum besitzenden Bürgertum zählen, und die jungen Leute, die nur die unsoziale Hartzgesellschaft kennen und daher allzu leicht flotten Sprüchen eines Sigmar Gabriel Glauben schenken.
Die SPD hat, wieder einmal, einen Zeitpunkt verpasst, an dem sie die grosse Möglichkeit gehabt hätte, sich inhaltlich und personell neu aufzustellen. Sie hätte aus einer starken Opposition heraus Angela Merkel vor sich hertreiben können. Nicht wie in der vergangenen Legislaturperiode, in der sie ihr, bei heiklen Beschlüssen zu Europa und zu Kriegseinsätzen der Bundeswehr, bei der ihr die eigene Mehrheit fehlte, die fehlenden Stimmen gab, sondern durch konsequente Oppositionspolitik.
Es bleibt eine Frage, die sich abschliessend stellt ist, mit wem wird Angela Merkel 2017 regieren, wenn sie die SPD endgültig pulverisiert hat?
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