Da hat die Bertelsmann Stiftung aber einen rausgehauen. Eine von ihr in Auftrag gegeben Studie von Prof. Dr. Martin Werding, Lehrstuhl für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen, Ruhr-Universität Bochum, behauptet nämlich: Familien mit Kindern werden bei der Rentenversicherung massiv benachteiligt.
Nun mag das für Eltern keine unbedingt neue Nachricht sein, denn jeder, der Kinder großgezogen und ihnen eine gute Berufsaubildung finanziert hat, der weiß, dass er dabei von der Gesellschaft herzlich alleingelassen wird.
Da verwundert es doch sehr, dass die Veröffentlichung der Studie im gesamten deutschen Blätterwald ein gewaltiges Rauschen hervorgreufen hat:
- DIE WELT: „Das deutsche Rentensystem beutet Familien aus“,
- Stuttgarter Zeitung: „Rentensystem benachteiligt Familien“,
- RP ONLINE: „Wer Kinder hat zahlt drauf“,
- ntv: „So beutet das Rentensystem Familien aus“,
- RTL: "Familien sind die Verlierer“,
- Tagesspiegel: „Familien zahlen drauf“
- Handelsblatt: „Wer Kinder hat zahlt im Rentensystem drauf“,
- focus: „ 77.000 Euro zu viel eingezahlt: Das deutsche Rentensystem beutet unsere Kinder aus“.
Da wollen die Öffentlich-Rechtlichen nicht abseits stehen: Der Hessische Rundfunk postet: „Familienfeindliches Rentensystem“ und das ZDF verwurstet die "Horrornachricht gleich zweimal: „Familien zahlen bei Rente drauf“ oder „Rentenproblem trifft Familien doppelt“.
Etwas viel Wirbel für die Verbreitung einer Binsenweisheit. Wer allerdings den Tenor der Überschriften der Beiträge richtig gewichtet, der erkennt, dass es der Bertelsmann Stiftung und den Erzeugern der öffentlichen Meinung keineswegs um Gerechtigkeit geht. Ziel der Kampagne ist das Rentensystem.
Der Verfasser der Studie, Prof. Werding, hält denn auch gar nicht mit seiner Meinung, dass er das derzeit praktizierte Umlageprinzip in der Rentenversicherung (die jeweils erwerbstätige Generation zahlt mit ihren Beiträgen die Rente ihrer Eltern) für einen „grundlegenden Systemfehler“ hält. Gleich in den ersten Sätzen kommt er direkt zur Sache: „Die laufenden Beitragszahlungen an die Rentenversicherung schaffen im Umlageverfahren dagegen, anders als bei einer Kapitaldeckung, keinerlei Werte bzw. Vorsorgeersparnisse, die für die Finanzierung zukünftiger Renten zur Verfügung stehen. Sie werden vielmehr unmittelbar verwendet, um laufende Renten zu zahlen, und sind eine Rückzahlung der derzeitigen Erwerbstätigen an die Generation der eigenen Eltern.“ Dazu sei angemerkt, dass das in einer Kapital gedeckten Rente ganz genauso der Fall ist. Werden bei einer Kapitaldeckung die Renten aus den Zinsen der Ersparnisse gezahlt, so muss auch diese Zinsen die Generation der Beschäftigten erwirtschaften, da Zinsen ja nicht durch wundersame Geldvernehrung zustande kommen.
Die Katze vollends aus dem Sack lässt der Vorsitzende der Bertelsmann Stiftung, Jürgen Dräger, im Morgenmagazin der ARD vom 17. Januar: „Man würde den Rentenbeitrag, den wir heute bezahlen, mehr oder minder einfrieren und würde dann schrittweise eine private Sparrente obendrauf satteln, die eben, wie wir in dem Beispiel gehört haben verpflichtend ist für diejenigen die keine Kinder haben, und der Beitrag wird immer kleiner je mehr Kinder man hat. Und das sichert hinterher, durch diesen privaten zusätzlichen Beitrag, das Rentenniveau und hält die Basisrente im Beitrag konstant; aber bedeutet natürlich das diejenigen, die nicht die zusätzliche Last des Kindererziehens haben, auch finanzielle Last haben: Einen zusätzlichen Rentenbeitrag zu leisten.“
Nicht um Gerechtigkeit in der Rentenversicherung für Familien mit Kindern geht es den Erfindern der Agenda 2010, der Bertelsmann Stiftung, sondern um eine weitere Entsolidarisierung der Gesellschaft. Mit der Begründung der Generationengerechtigkeit wird dreist die Einführung einer privaten Zwangszusatzversicherung gefordert, während der Beitragssatz in die gesetzliche Rentenkasse und damit natürlich dann auch, und vor allen Dingen, der fälschlicherweise so bezeichnete Arbeitgeberanteil, auf ewige Zeiten festgeschrieben wird. Da dieser sogenannte Arbeitgeberanteil aber ein Bestandteil des Arbeitsentgelts ist, läuft das Ganze auf eine massive Lohnkürzung hinaus.
Was den Herren der dicken Geldbeutel, mit dem grössten Betrug aller Zeiten an den Arbeitnehmern, durch die von dem Sozialdemokraten Schröder eingeführte Riesterrente, nicht gelungen ist, das soll jetzt nachgeholt werden: Die zwangsweise Einführung der privaten Rentenversicherung, allein auf den Schultern der Arbeitnehmer.
Die einzige Möglichkeit die Rentenversicherung demographiefest und gerechter zu machen ist, sie mit den nötigen Geldmitteln auszustatten. Wenn in Zukunft das von den Deutschen gemeinsam erarbeitete Vermögen gerecht zwischen Kapital und Arbeit aufgeteilt wird, dann braucht es keine privaten Zusatzversicherungen. Das ist aber immer weniger der Fall. In den zehn Jahren, von 2003 bis 2012 stieg das Bruttoinlandsprodukt, also der Wert aller erabeiteten Waren und Dienstleistungen, um 24,1%. Die Reallöhne sind im Zeitraum von 2001 bis 2012 aber nicht nur nicht gestiegen, sie sind sogar um 1,8% gesunken, ein Gau für jede, nur durch Arbeitslöhne finanzierte Rentenkasse.
Der von der Bertelsmann Stiftung in den Focus genommene Zeitraum bis 2060 beträgt 46 Jahre. Rechnet man 46 Jahre zurück so landet man im Jahr 1968. Das Bruttoinlandsprodukt ist in der Zeit von 1968 bis ins Jahr 2013 um 169% gestiegen. Wir schaffen heute also mehr als das zweieinhalbfache wie 1968. Steigt das BIP in den nächsten 16 Jahren im etwa gleichen Umfang und wird es gerecht aufgeteilt, sind die Renten erstens sicher und können zweitens auch noch gerechter verteilt werden.
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